Lobbyregistergesetz trotz schweren Fehlern vor Verabschiedung

Pressemitteilung vom 23.03.2021

Tausche Abgeordnetenlobbyismus gegen Staatslobbyismus

Am Donnerstagnachmittag wird aller Voraussicht nach das Lobbyregister beschlossen – eigentlich ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Transparenz in Parlament und Regierung. „Das könnte ein Grund zur Freude sein: Denn die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (de'ge'pol) kämpft seit 15 Jahren für mehr Transparenz und ein solches Register,“ so Dominik Meier, Vorsitzender der de'ge'pol. „Aber dieser Gesetzentwurf ist mehr als nur hektisch verunglückt. Von schweren handwerklichen Fehlern bis hin zu verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriffen in Rechtsgüter wie Meinungs-, Berufs- und Petiti- onsfreiheit lässt der Entwurf nichts aus.“

Besonders heftig kritisiert die de'ge'pol jedoch einen binnen 24 Stunden neu gefassten Passus im Ge- setzentwurf. Dieser schreibt fest, dass ein Direktor beim Deutschen Bundestag die Aufsicht über die Frage ausübt, was Lobbying ist und wer ein Lobbyist ist. Insbesondere der Verhaltenskodex soll von der Bundestagsverwaltung kontrolliert werden. „Dies ist ein erheblicher Angriff auf die seit vielen Jah- ren etablierte freiwillige Selbstkontrolle der Interessensvertretung mitsamt dem seit über 15 Jahren geltenden Verhaltenskodex. Damit kontrolliert der Adressat der Interessenvertretung, welche Interes- sen er für legitim hält,“ so Dominik Meier weiter. „Das ist Staatslobbyismus. Man muss sich vorstellen, das Bundespresseamt übe die Rechtsaufsicht über die Einhaltung der Pressekodizes aus. Das rüttelt an den Grundfesten unserer Demokratie, wenn nicht mehr Interessenvertreter ihre ethischen Standards selbst kontrollieren. Es geht uns dabei nicht um offenkundige Rechtsbrüche. Die muss der Staat ahn- den. Es geht hier um die Frage, was ethisch vertretbare Interessenarbeit ist.“

„Die letzten Tage haben gezeigt, das größte Problem des Lobbyismus waren nicht verführerische Lob- byisten, sondern Abgeordnete, die sich seit 20 Jahren geweigert haben, zwischen der Interessenver- tretung und der Entscheidung über Interessen einen klaren Trennstrich zu ziehen. Angesichts dessen ist es absurd, dass dieser Gesetzentwurf keine neuen Verhaltensregeln für Parlamentarier festschrei- ben will. Diese sollen in rechtlich unverbindlichen Grundsätzen der Parteien und Fraktionen festge- schrieben werden,“ so die harte Kritik des Vorsitzenden der de'ge'pol.

Die de'ge'pol hat sich am gestrigen Abend bereits in einem Schreiben an die Fraktionsspitzen gewandt, um auf die eklatanten Fehler im Gesetzestext hinzuweisen und den Dialog anzubieten. Derzeit macht es allerdings den Anschein, als wären Gesetzgebungsprozess wie auch die finale Regulierung von Inte- ressensvertretung gleichermaßen, einzig und allein von staatlichen Vorgaben geprägt.

Die de'ge'pol kommuniziert bereits seit 2002 dezidiert Forderungen nach einer Trennung von Mandat und Interessenvertretung gegen Entgelt durch Mandatsträger. Sie setzt sich seit 2002 für Ethik und Transparenz in der Interessenvertretung ein. 2004 hat sie den de'ge'pol Verhaltenskodex geschaffen, der seitdem erfolgreich Grundlage der freiwilligen Selbstkontrolle durch unabhängige Gremien ist. Seit 2008 wurden detaillierte Vorschläge für ein faires Lobbyregister erstellt. 2015 hat die de'ge'pol einen unabhängigen Interessenvertretungsbeauftragten beim Deutschen Bundestag gefordert.

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